Viktors Mutter

„Ich weiß echt nicht mehr weiter. Morgens muss ich Viktor regelrecht zwingen, dass er aufsteht und in die Schule geht. Wenn er heimkommt, lässt er das Mittagessen meistens ausfallen und verzieht sich sofort in sein Zimmer. Dort bleibt er dann praktisch den ganzen Tag über und beschäftigt sich meistens mit dem Computer oder seinem Kater. Es ist schon ewig her, dass er Freunde zu uns nach Hause eingeladen hat. Erst dachte ich, es ist nur eine Phase, dass Viktor nicht mehr so viel erzählt und auch schneller Mal gereizt ist. Und dass das ja auch zur Pubertät dazu gehört, also normal ist. Aber das geht jetzt schon eine ganze Weile so und ich kann sehen, wie bedrückt er ist. Ich mache mir langsam echt Sorgen… Seine Noten werden auch immer schlechter, dabei ist er doch eigentlich sehr clever. Meistens kommt er nur noch zu mir, wenn er Geld braucht, weil er wieder einmal irgendetwas von seinen Sachen verloren hat oder ihm etwas kaputt gegangen ist. Er war doch früher nicht so ein Tollpatsch. So kann das einfach nicht weitergehen… Was ist nur los mit Viktor?“

Wie erkenne ich, dass mein Kind gemobbt wird?

Betroffenen fällt es aus verschiedenen Gründen oft sehr schwer, sich Anderen anzuvertrauen und von ihren negativen Erfahrungen zu erzählen.

Gleichzeitig ist Mobbing für Eltern und Lehrkräfte nicht immer leicht zu erkennen. Mögliche Anzeichen, dass Ihr Kind von Mobbing betroffen sein könnte, können sein:

Sollten Sie Anzeichen für Mobbing bei Ihrem Sohn/Ihrer Tochter bemerken, können Sie ihn/sie behutsam darauf ansprechen und Lösungsmöglichkeiten suchen. Schildern Sie, was Ihnen aufgefallen ist und bieten Sie Ihre Hilfe an (z. B. „Mir fällt auf, dass in letzter Zeit immer wieder welche von Deinen Sachen verschwinden und Du oft bedrückt wirkst. Hat das einen bestimmten Grund? Kann ich Dir irgendwie helfen, damit es Dir besser geht?“).

Was kann ich tun, wenn mein Kind gemobbt wird?

Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie die Situation ernst nehmen.

Reden Sie die Probleme nicht klein (z. B. „Das wird schon wieder.“, „Du musst einfach nur lernen, mit so etwas umzugehen.“).

Versuchen Sie lieber, gemeinsam Wege zu finden, wie sie etwas an der Situation ändern können. Kinder und Jugendliche sind durch Mobbing stark belastet und sie kommen alleine nicht aus ihrer schwierigen Lage heraus.

Suchen Sie die Gründe für das Mobbing nicht bei Ihrem Kind.

Täter*innen finden bei jedem/jeder etwas Auffälliges oder Besonderes, wenn sie danach suchen. Der Grund für das Mobbing liegt daher nicht in Ihrem Kind. Ihr Kind ist nicht schuld daran, dass er oder sie gemobbt wird.

Ihr Kind braucht Ihre Unterstützung, um die Situation zu beenden, und keine Vorwürfe oder Schuldzuweisungen.

Informieren Sie in Absprache mit Ihrem Kind die Klassenlehrkraft oder eine Lehrkraft, der Ihr Kind vertraut.

Da Mobbing in der Schule stattfindet, ist eine Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit der Schule sehr wichtig. In keinem Fall ist es ratsam, dass Eltern auf eigene Faust versuchen, den/die Täter*in(nen) zu konfrontieren und das Mobbing zu beenden.

Mögliche Anlaufstellen sind neben der Klassenlehrkraft auch Beratungslehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen oder Schulpsycholog*innen. In schwierigen Fällen können die Beratungslehrkräfte den Kontakt zur jeweils zuständigen Schulpsychologischen Beratungsstelle vermitteln.

Bevor Sie Kontakt zur Schule aufnehmen, kann es hilfreich sein, gemeinsam mit Ihrem Kind vergangene Vorfälle zu sammeln (z. B. aufzuschreiben, wer was wann gesagt oder getan hat; Screenshots von Beleidigungen in Chats oder anderem Cybermobbing zu machen etc.). Eine umfangreiche Beweisgrundlage ist ein guter Ausgangspunkt, damit die Schule schnell und gezielt vorgehen kann.

Lassen Sie nicht locker und nehmen Sie die Schule Ihres Kindes in die Pflicht!

Die Rechtslage bei Mobbing ist im Schulgesetz leider wenig eindeutig oder verbindlich.

Im Strafrecht ist die Rechtslage klarer: Mobbing ist eine Straftat (auch wenn die Täter*innen teilweise noch nicht strafmündig sind). Mögliche Straftaten sind Körperverletzung (§223 StGB), Beleidigung (§185 StGB), Verleumdung (§187 StGB) oder Nötigung (§240 StGB). Allerdings fällt nicht jede Form des Mobbings bzw. jeder einzelne Vorfall unter den Tatbestand einer Straftat. Mobbing ist vergleichbar mit vielen kleinen Nadelstichen und unter Umständen sind diese einzelnen Stiche so subtil, dass das Strafgesetzbuch nicht unbedingt Anwendung finden kann.

Sollte die Schule Hilfe von außen benötigen, um den Mobbingfall aufzulösen, kann die Schulpsychologische Beratungsstelle oder auch die polizeiliche Kriminalprävention ein guter Ansprechpartner sein.

Wenn Sie in Ihrem Bemühen mit der Schule nicht weiterkommen, schalten Sie übergeordnete Behörden ein (d. h. das zuständige Schulamt). Dokumentieren Sie für sich alle Gesprächsinhalte, um Ihr Anliegen ggf. an eine höhere Stelle weitergeben zu können.

Ermuntern und unterstützen Sie Ihr Kind dabei, positive Erfahrungen mit Gleichaltrigen zu machen.

Ermutigen Sie Ihr Kind, mit netten, aufgeschlossenen Kindern oder Jugendlichen aus der Schule, der Nachbarschaft etc. in Kontakt zu kommen und – wenn Ihr Kind das möchte - nach Hause einzuladen.

Je nachdem, welche Interessen Ihr Kind hat, kann es helfen, einem Verein (z. B. Sport, Musik, Jugendgruppen) beizutreten. Hier können Freundschaften außerhalb der Schule geschlossen werden.

Bauen Sie den Selbstwert Ihres Kindes auf, indem Sie Stärken (z. B. Sport, Musik, Kunst) fördern.

Betroffenen werden ständig nur ihre (angeblichen) Schwächen und Unzulänglichkeiten vor Augen geführt, was sich negativ auf ihren Selbstwert auswirkt. In Jedem und jeder stecken aber auch Stärken und Talente. Suchen und fördern Sie diese!

Mit wem kann ich darüber reden, dass mein Kind gemobbt wird?

Nummer gegen Kummer/Elterntelefon: Kostenlose und anonyme Telefonberatung (Tel: 0800-1110550) von Montag bis Freitag zwischen 9 und 17 Uhr, zusätzlich Dienstag und Donnerstag bis 19 Uhr.

bke-Elternberatung: Kostenlose und anonyme Online-Beratung für Eltern mit Kindern unter 21 Jahren per Mail, über ein Forum oder in Gruppenchats zum Austausch mit anderen Eltern.

Was kann die Schule meines Kindes gegen Mobbing tun?

Es empfiehlt sich nicht, bei der Bekämpfung von schulischem Mobbing nach dem „Feuerwehr-Prinzip“ vorzugehen: Statt viele einzelne „Brandherde“ zu löschen, sollten „Feuer“ verhindert werden, bevor sie entstehen. Dafür ist es wichtig, alle Lehrkräfte und Schüler*innen verschiedener Klassenstufen einzubeziehen. Dieser Gedanke liegt dem Präventionsprogramm „Mobbing&Du – schau hin und nicht zu“ zugrunde.